Position | Land/Region Oberösterreich, Bezirk Schärding, Gemeinde Engelhartszell 33 N 405511 / 5373824 UTM/WGS84 | |||||||||
Beschreibung | Objektbeschreibung Nur mehr geringe Spuren weisen auf die ehemalige Richtstätte auf der Galgenleiten bei Engelhartszell hin. Diese sind in ihrer Form jedoch ungewöhnlich: zwei im steinigen Boden erhaltene Löcher, welche als Halterung der hölzernen Galgenpfosten dienten. Die rund fünf Meter voneinander entfernten Eintiefungen weisen einen unregelmäßig runden Rand auf, der durch natürlich vorhandene oder vielleicht teilweise auch von Menschenhand eingelassenen Steinen begrenzt wird. Zur Zeit1 sind die Löcher noch rund einen halben Meter tief, der Raum darunter ist mit Erde und Wurzeln verfüllt. Daher kann keine Aussage betreffend der einstmaligen Tiefe der Löcher gemacht werden. Um Holzbalken eines Galgens darin verankern zu können, müssen sie aber deutlich tiefer gewesen sein. Da keine Reste der Hölzer vorhanden sind - hier könnte eine Grabung Aufschluß bringen, kann man auch nichts über die Art und Beschaffenheit derselben bzw. die Verankerungsmethode sagen. Historischer Kontext Engelhartszell und das Kloster Engelszell bildeten den Hauptort des historischen Gebietes der Niederkeßla. Obwohl Engelszell eine passauische Gründung war, bekannten sich dessen Äbte - möglicherweise aus taktischen Gründen: ein geographisch weit entfernter Landesherr ermöglichte mehr Handlungsfreiheit - stets zu Österreich. Sie lieferten die Steuern nach Linz ab und weigerten sich beharrlich die passauischen Landtage zu besuchen. Passau hingegen beharrte darauf, daß Engelhartszell passauisch sei, strebte die Landeshoheit an und versuchte dies v.a. durch ihre Pfleger im nahen Vichtenstein durchzusetzen. Das Landgericht Niederkeßla, im 13. Jahrhundert vom Landgericht Peuerbach abgespalten, war 1367 durch Tausch an Passau gelangt. Das Stift Engelszell besaß seit 1294 oder 1308 nur die niedere Gerichtsbarkeit. Vichtenstein gehörte ursprünglich den Grafen von Lambach, dann jenen von Formbach und Wasserburg. Durch eine Verpfändung gelangte es zwischen 1226 und 1253 in den Besitz Passaus, nicht jedoch das Landgericht, das auf den bayrischen Herzog bzw. die Grafen von Schaunburg überging und erst 1410 bzw. 1549 an Passau fiel. Ab dann verwaltete Passau die Landgerichte Niederkeßla und Vichtenstein gemeinsam. Die Lage in der Niederkeßla eskalierte mehrmals, als Passauer Pfleger Beschuldigte aus Engelhartszell verhaften und nach Vichtenstein, also aus Sicht der Engelhartszeller außer Landes, bringen ließen. Mehrmals griff sogar der Kaiser ein und die Situation war um so mehr verworren, als in der Niederkeßla viele Untertanen des Hochstiftes lebten. An der Situation änderte sich im Laufe der Jahrhunderte wenig: die Passauer Bischöfe ließen Delinquenten aus Engelhartszell durch ihre Pfleger auf Vichtenstein aburteilen, machten aber immerhin die Konzession den Galgen auf österreichisches Gebiet, auf die Galgenleiten unterhalb des Burgenecks bei Engelhartszell zu versetzen, wo man heute noch die Löcher erkennen kann. Durch den österreichisch-passauischen Staatsvertrag des Jahres 1765 wurde ein Schlußpunkt unter die Streitigkeiten gesetzt und das Gebiet endgültig hoheitlich Österreich zuerkannt. Das Stift Engelszell erhielt sogar den Blutbann über die Niederkeßla, konnte sich dessen jedoch nicht lange erfreuen, da es 1786 durch Kaiser Joseph II. aufgelöst wurde. Das geistliche Fürstentum Passau wurde 1803 säkularisiert und trat dadurch auch seine mittelbaren Herrschaftsrechte in Österreich ab.2 Standort und Lage Die Richtstätte lag im Landgerichtssprengel Niederkeßla, wurde jedoch vom westwärts angrenzenden Landgericht Vichtenstein aus administriert, da Passau beide Sprengel wie einen einzigen behandelte. Die Grenze zwischen den Sprengeln verlief wenige hundert Meter westlich des Galgens.3 Man kann die Löcher erreichen, indem man Engelhartszell entlang der Siedlungsstraße, der Fallaustraße und in Folge dem Fallauweg entlang dem Leiten- oder Fallaubach verläßt. Der Bach wird über eine Brücke überquert bis man 380 Meter nach der Brücke eine starke Rechtskurve erreicht. Dieser folgt man, der Weg wird steiler und felsiger. Der Leitenbach wird nochmals überquert, an dieser Stelle ist der Weg durch Staunässe gekennzeichnet. Nach weiteren 640 Metern hält man bei der zweiten fast rechtwinkeligen Linkskurve, welche den Hangrücken der Galgenleiten umläuft, an. Man verläßt den Weg und geht den Hangrücken Richtung Donautal entlang hinunter, an einem Hochstand vorbei in den dichteren Wald hinein. Nach rund 250 Metern erreicht man die Galgenlöcher.4 Heute dicht mit Bäumen versehen, war die Galgenleiten früher sicherlich geschlägert und somit von Engelhartszell und der Donau aus gut sichtbar. In unmittelbarer Nähe zum Galgen stand früher eine Armensünderkapelle, von der jedoch keine Spuren mehr vorhanden sind.5 __________________ 1 Lokalaugenschein am 22.4.2011. 2 [Benez61; S. 53-62], [LGKE1-1; S. 22f], [LGKE1-2; S. 152-155] 3 [LGK; Blatt 1a, 4], die Richtstätte ist hier jedoch nicht eingezeichnet. 4 Die Auffindung verdanke ich dem Amtsleiter der Gemeinde Engelhartszell, Herrn Hermann Razenberger, welcher aufgrund meiner Anfrage, basierend auf dem Hinweis im Buch von Benezeder und Brandstetter, die Löcher mit Hilfe von Mitbewohnern ausfindig machen konnte, aufsuchte, markierte und mir den Weg detailliert beschrieb. Ohne seine Hilfe wäre die Suche wie im Sprichwort von der Stecknadel und dem Heuhaufen verlaufen und wahrscheinlich ergebnislos geblieben, daher hier mein aufrichtiger Dank für die ungewöhnlich umfangreiche Unterstützung! 5 [Benez61; S. 62] Literatur: [Benez61; S. 53-62] | |||||||||
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